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2018 | ab 25


Gereon Krantz: Unter pechschwarzen Sternen
Pro Talk Crime · 347 Seiten · 14,90 Euro

In einer Unterführung in Berlin wird eine nackte, gefesselte und grausam misshandelte Frauenleiche gefunden, deren Kopf fehlt und durch den eines Widders ersetzt wurde. Ein ungleiches, aber effektives Team bestehend aus dem alkoholabhängigen, zynischen Harder, der auf unkonventionelle Methoden setzt, und der jungen ehrgeizigen Claudia Vogt, die auf eine korrekte Vorgehensweise wert legt, soll ermitteln. Nebenbei müssen sich die Beiden aber auch mit der Russenmafia und ihren eigenen Dämonen auseinandersetzen. Als eine weitere Leiche auftaucht, wächst der Druck auf die Ermittler – und Harder muss erfahren, dass er eine persönlichere Beziehung zum Killer hat, als ihm lieb wäre... Einmal angefangen, kann man das Buch bis zum Schluss nicht aus der Hand legen! Ein raffinierter Fall in sprachlich einwandfreiem Stil; der Cliffhanger lässt auf schnelle Fortsetzung hoffen.
   
Jules Vitrac: Der Teufel von Eguisheim
rororo · 364 Seiten · 9,99 Euro

Obwohl Titel und Verlagsbeschreibung etwas zu reißerisch sind, bietet der Krimi pure Spannung von der ersten Seite an. Ein Mord – oder Selbstmord? – unter durch und durch irrationalen Umständen bringt den Leser von Anfang an dazu, sich den Kopf zu zerbrechen. Dann werden Menschen im Wald von einem Reh angegriffen. Die Gerüchteküche nimmt ihren Lauf: Hat das personifizierte Böse einen Feldzug gegen die Menschen im Dorf gestartet? Der zweite Fall für Céleste Kreydenweiss und Luc Bato bietet eine gelungene Verknüpfung von Volks- und Aberglauben mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und lässt dem Leser einen Schauer nach dem nächsten über den Rücken laufen, wenn dieser mit Gefahren konfrontiert wird, über die er sonst nicht nachdenkt, die aber durchaus real sind. Der gegensätzliche Charakter der Ermittler ist dabei als comic relief äußerst gelungen. Ein intelligenter Krimi mit geschickt gelegten falschen Fährten, spannend bis zum Ende.
   
Jo Spain: Tu Buße und stirb
Bastei Lübbe · 541 Seiten · 10,00 Euro

In der Vorweihnachtszeit wird im Dubliner Phoenix Park die Leiche einer Nonne gefunden, inszeniert als gekreuzigte Märtyrerin. Die Spuren führen ins kleine Dorf Kilcross, wo das bunte Team um Inspektor Tom Reynolds im Kloster ermitteln muss. Was wie ein Ritualmord aussieht, entpuppt sich schnell als Mord mit persönlichem Motiv, und schnell wird klar, dass die Geschichte des Klosters, das einmal ein Magdalenenheim war, etwas damit zu tun haben muss. Dann wird das Team eingeschneit – möglicherweise mit dem Mörder in ihrer Mitte. Intelligent und mit psychologischem Feingefühl behandelt die Autorin in ihrem Debüt das Thema der irischen Magdalenenheime, in denen unverheiratete schwangere Mädchen und deren Kinder oft – teilweise bis zum Tod – misshandelt wurden. Viele glaubwürdige Protagonisten, ein subtiler Humor und ganz viel Spannung bis zum Schluss. Ein genialer Irlandkrimi!
   
Jens Henrik Jensen: Oxen. Das erste Opfer
dtv premium · 464 Seiten · 16,90 Euro

Im Auftakt der Reihe um den ehemaligen Elitesoldaten Niels Oxen, der an PTSD leidet und als Aussteiger mit seinem Hund im Wald lebt, wird dieser in eine Reihe von mysteriösen Morden ohne offensichtliches Motiv hineingezogen. Durch einen unglücklichen Zufall gerät er ins Visier des dänischen Geheimdienstes und wird schließlich als inoffizieller Ermittler engagiert. Margrethe Frank soll ihn zunächst überwachen, es wird aber schnell klar, dass auch der Geheimdienst nicht mit offenen Karten spielt und sie und Oxen einer großen Sache auf der Spur sind... Cover und Beschreibungen lassen zwar Mystik und Ritualmorde vermuten, tatsächlich geht es im Buch aber um Politik und Wirtschaft. Gemeinsam mit Oxens persönlichen Problemen ergibt sich daraus eine intelligente Gesellschaftsanalyse, ein niveauvoller Krimi, der auf raffinierte Intrigen und Sozialkritik, weniger auf rohe Gewalt setzt.
   
Adrian Roßner: Waldsteinnebel
Koberger & Kompany · 248 Seiten · 11,90 Seiten

In diesem Regionalkrimi aus dem düsteren Fichtelgebirge zieht der junge Lehrer Rolf Benz aus Hamburg an eine Schule in Münchberg im nördlichen Oberfranken. Eine junge Kollegin, die er kennenlernt, lässt ihn in ihrem alten Elternhaus wohnen, das einige Geheimnisse birgt. So findet Benz z.B. im Keller das Tagebuch einer jungen Frau aus dem 19. Jh., deren Leben ein tragisches Ende genommen hat. Die Umstände ihres Todes sind nie ganz geklärt worden. Bei seinen Recherchen stößt Benz immer wieder auf den Berg Waldstein, wo der Teufel gewesen sein soll... Waldsteinnebel hebt sich von anderen Regionalkrimis, die oft bieder, gewollt lustig oder gewollt grausam sind, positiv ab. Einige Unwahrscheinlichkeiten wie die stellenweise konstruierte Handlung bleiben, es ist also kein perfekter Krimi – aber doch eine vergnügliche Lektüre, amüsant erzählt mit einem Hauch von Fantasy.
   
Alyson Richman: Abschied in Prag
Diana · 384 Seiten · 10,99 Euro

Im Jahr 2000 trifft der 85-jährige Josef auf der Hochzeit seines Enkels zufällig seine einstige Frau wieder, die er in den 1930er Jahren in Prag traf und von der er durch den Einmarsch Hitlers getrennt wurde. In Rückblenden wird die Geschichte des Paares erzählt, die im Jahr 2000 endlich ihren Abschluss findet. Es ist keine neue Geschichte, sie wird aber mit einer besonderen Intensität erzählt. Im Fokus steht nicht nur das Liebespaar, sondern die Geschichte vieler Leben, die durch den Holocaust erschüttert, und vieler Familien, die auseinandergerissen wurden. Abschied in Prag ist ein Buch, das nahegeht, u.a. auch, weil nicht alle Figuren rein fiktiv sind. Auf diese Weise gibt die Autorin einem Teil der Leidtragenden des Zweiten Weltkriegs eine Stimme und ein Gesicht.
   
Tom Hillenbrand: Der Kaffeedieb
Kiepenheuer & Witsch · 480 Seiten · 10,99 Euro

Seit dem 17. Jahrhundert befindet er sich auf einem Eroberungsfeldzug der Herzen (und Mägen) der ganzen Welt: Kaffee. Über das osmanische Reich gelangte der wohlduftende, schmackhafte Energiespender, von dem täglich angeblich 1,4 Milliarden Tassen getrunken werden, aus Äthiopien und Arabien nach Europa, das sich in einer unruhigen Zeit voller Umbrüche und Veränderungen befand. Im Roman plant der Engländer Obediah Chalon mit sechs Verbündeten einen wagemutigen Raub, der das bisherige Monopol der Türken auf Kaffeebohnen brechen soll. Bunt und turbulent erzählt, erreicht auch der Schreibstil des Autors hier unvergleichliche Höhen. Neben dem spannenden Abenteuer erhält man zudem unschätzbare Einblicke in eine Epoche, in der das wissenschaftlich überlegene und religiös wesentlich tolerantere Osmanische Reich Einfluss in Europa hatte. Ein anspruchsvoller historischer Roman voller Leben, authentisch und mitreißend!